Fakten – Ursachen – Perspektiven
Am
07.11. fand im Naturfreundehaus Rastatt eine Informationsveranstaltung zum
Thema „Insektenschwund“ statt. Eingeladen hatte die NABU-Bezirksgeschäftsstelle
Mittlerer Oberrhein und die NaturFreunde Rastatt. Martin Klatt, Referent für
den Arten- und Biotopschutz beim NABU Baden-Württemberg, hat hierzu einen
Vortrag gehalten. Bei der Veranstaltung sollte eigentlich noch der
Geschäftsführer des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ Sven Prange anwesend sein.
Dieser hat jedoch kurzfristig abgesagt, da die Mobilisierung bis Mitte Dezember
ausgesetzt ist.
Die
Veranstaltung war sehr gut besucht, mindestens 70 Interessierte waren vor Ort
und eine rege Diskussion kam in Gange.
Seit
langem schon sind die Medien zu diesem Thema hellhörig geworden. Die
Wissenschaft hat es seit langem belegt, dass die Anzahl der Insekten immer mehr
sinkt. Es gibt zahlreiche Studien hierzu. Nur die Politik hat lange die Augen
davor verschlossen, dass es Insektensterben gibt.
Es
sind etwa 1 Mio. Insektenarten bekannt, davon ca. 40.000 Insektenarten in
Mitteleuropa/Deutschland.
Welche Bedeutung haben die
Insekten für unser Ökosystem?
Die
Insekten sind Nahrung für viele Vögel, Fledermäuse und andere Tiere. Fällt
diese Nahrung weg, werden auch diese Tiere immer weniger. Nicht ohne Grund ist
die Feldlerche Vogel des Jahres 2019, wie auch schon 19998. Außerdem sind sie
wichtig für die Bestäubung von Pflanzen. Etwa 80 – 90 % der heimischen Nutz-
und Wildpflanzenarten sind auf die Bestäubung der Insekten angewiesen.
Wichtigste Bestäuber sind Wildbienen, Honigbienen, Fliegen, Ameisen, Käfer und
sonstige Insekten. In Deutschland allein leben etwa 560 Mio. Wildbienen, von
denen die Hälfte davon vor dem Aussterben bedroht ist. Des Weitern sind die
Insekten wichtig für die Zersetzung und Wiedernutzbarmachung von Nährstoffen.
Ohne
die Insekten würde unser Planet nicht funktionieren. 7802 Insektenarten stehen
auf der Roten Liste gefährdeter Tiere. 42,5 % mit negativer Bestandsentwicklung
und 29,4 % sind vom Aussterben bedroht oder gefährdet.
Zum
Insektensterben gibt es zahlreiche Studien, unter anderem auch die
Krefeld-Studie vom Entomologischen Verein Krefeld. Über 27 Jahre wurden
Schutzgebiete untersucht und es wurde dabei festgestellt, dass es 75 % weniger
Fluginsekten gibt.
Auch
die Ornithologische Beobachtungsstation am Randecker Maar in Baden-Württemberg
verzeichnet seit 1972 einen Rückgang der Insekten. Zum Beispiel waren es damals
1000 Kohlweißlinge pro Tag, heute sind es nur noch 20, vom Tagpfauenauge konnten
damals 400 pro Tag gesichtet werden, heute nur noch einer. Schwebfliegen werden
fast gar keine mehr entdeckt.
Was sind die Ursachen für das
dramatische Insektensterben?
Hier
gibt es nicht einen Grund, es spielen viele Faktoren hier mit. Eine der
wichtigsten Ursachen ist die intensive Landwirtschaftsnutzung. In Deutschland
ist es fast die Hälfte der Fläche. Die Felder werden mit eindeutig zu vielen
Pestiziden behandelt. Deutschland gehört zu den EU-Staaten, die am meisten
Pestizide verbrauchen. Vielerorts sind die Äcker sehr monoton. Es fehlen
Feldgehölze, Acker- und Gewässerrandstreifen. Von Überdüngung und Fruchtfolgen
ganz zu schweigen. Wie sollen hier Insekten überleben?
Eine
weitere Ursache ist der große Flächenverlust durch den Bau von Infrastruktur,
Gewerbeflächen und Siedlungen. Jeden Tag werden ca. 70 Hektar versiegelt.
Zu
guter Letzt führt der Klimawandel zum Insektensterben. Die Veränderungen von
Temperatur und Niederschlag haben sehr große Einflüsse auf die Insektenwelt.
Wenn
man sich diese enorme Bedeutung der Insekten vor Augen führt, kommen wir nicht
umhin, dass sowohl der Einzelne als auch die Politik hier gefragt ist. Wir
möchten uns gar nicht vorstellen, wie eine Welt ohne diese wunderschönen
Geschöpfe aussehen mag.
Was kann jeder Einzelne von
uns tun?
Mit
unserem täglichen Konsumverhalten beeinflussen wir die Landwirtschaft. Wer die
Lebensmittel nur noch billig einkauft und sich fleischlastig ernährt, braucht
sich nicht zu wundern, dass Landwirte ihre Böden zu Höchstleistungen
intensivieren. Es werden großflächig eintönige Kulturen angebaut. Die
biologische Vielfalt bleibt hier oftmals auf der Strecke.
Wer
einen eigenen Garten besitzt, sollte diesen ohne Pestizide nutzen und den
Insekten Nisthilfen anbieten. Die Bepflanzung des Gartens sollte vielfältig
sein und nicht ein „Garten des Grauens“ sein.
Städte
und Kommunen sollten nur heimische Pflanzen anpflanzen, der Pestizideinsatz
sollte völlig untersagt sein und insektenfreundliche Refugien sollten der
Regelfall sein.
Was muss die Politik tun?
Die Pestizid-Zulassungsprüfungen müssen viel strenger werden. Neonicotinoide müssen sofort verboten werden, da sie die Rezeptoren der Nervenzellen blockieren. Der Dauerreiz führt zu Krämpfen und schließlich zum Tod der Insekten. Selbst die geringste Dosis führt zu Störungen des Verhaltens sowie des Immunsystems.
Die Reform der EU-Agrarpolitik ist ein absolutes Muss. Die biologische Blütenvielfalt in der Landwirtschaft muss gefördert werden. Außerdem ist eine Stickstoffreduktion notwendig. Dass die biologische Landwirtschaft ausgeweitet werden muss, ist selbstverständlich.
Richtig
dunkle Nächte sind in vielen Gebieten viel zu selten geworden. Dies stellt für
nachtaktive Insekten ein großes Problem dar. Die Insekten werden geblendet,
sehen nichts mehr und flattern orientierungslos zu Lichtquellen, wo sie vor
Erschöpfung dann irgendwann sterben.
Es
ist auch wichtig, dass die biologische Vielfalt und deren Entwicklung weiter
erforscht und überwacht werden.
Martin Klatt wie darauf hin, dass das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ nur ausgesetzt ist. Die Landesregierung Baden-Württemberg hat „Eckpunkte zum Schutz der Insekten in Baden-Württemberg“ vorgelegt. Wie es nun weitergeht mit dem Volksbegehren, ist abzuwarten.
Bericht von Susanne Schröder
Mehr zum Thema
Eckpunkte der Landesregierung zum Artenschutz