Insektenschwund

Vikramjit Kakati @Pixabay

Fakten – Ursachen – Perspektiven

Am 07.11. fand im Naturfreundehaus Rastatt eine Informationsveranstaltung zum Thema „Insektenschwund“ statt. Eingeladen hatte die NABU-Bezirksgeschäftsstelle Mittlerer Oberrhein und die NaturFreunde Rastatt. Martin Klatt, Referent für den Arten- und Biotopschutz beim NABU Baden-Württemberg, hat hierzu einen Vortrag gehalten. Bei der Veranstaltung sollte eigentlich noch der Geschäftsführer des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ Sven Prange anwesend sein. Dieser hat jedoch kurzfristig abgesagt, da die Mobilisierung bis Mitte Dezember ausgesetzt ist.

Die Veranstaltung war sehr gut besucht, mindestens 70 Interessierte waren vor Ort und eine rege Diskussion kam in Gange.

Seit langem schon sind die Medien zu diesem Thema hellhörig geworden. Die Wissenschaft hat es seit langem belegt, dass die Anzahl der Insekten immer mehr sinkt. Es gibt zahlreiche Studien hierzu. Nur die Politik hat lange die Augen davor verschlossen, dass es Insektensterben gibt.

Es sind etwa 1 Mio. Insektenarten bekannt, davon ca. 40.000 Insektenarten in Mitteleuropa/Deutschland.

Welche Bedeutung haben die Insekten für unser Ökosystem?

Die Insekten sind Nahrung für viele Vögel, Fledermäuse und andere Tiere. Fällt diese Nahrung weg, werden auch diese Tiere immer weniger. Nicht ohne Grund ist die Feldlerche Vogel des Jahres 2019, wie auch schon 19998. Außerdem sind sie wichtig für die Bestäubung von Pflanzen. Etwa 80 – 90 % der heimischen Nutz- und Wildpflanzenarten sind auf die Bestäubung der Insekten angewiesen. Wichtigste Bestäuber sind Wildbienen, Honigbienen, Fliegen, Ameisen, Käfer und sonstige Insekten. In Deutschland allein leben etwa 560 Mio. Wildbienen, von denen die Hälfte davon vor dem Aussterben bedroht ist. Des Weitern sind die Insekten wichtig für die Zersetzung und Wiedernutzbarmachung von Nährstoffen.

Ohne die Insekten würde unser Planet nicht funktionieren. 7802 Insektenarten stehen auf der Roten Liste gefährdeter Tiere. 42,5 % mit negativer Bestandsentwicklung und 29,4 % sind vom Aussterben bedroht oder gefährdet.

Zum Insektensterben gibt es zahlreiche Studien, unter anderem auch die Krefeld-Studie vom Entomologischen Verein Krefeld. Über 27 Jahre wurden Schutzgebiete untersucht und es wurde dabei festgestellt, dass es 75 % weniger Fluginsekten gibt. 

Auch die Ornithologische Beobachtungsstation am Randecker Maar in Baden-Württemberg verzeichnet seit 1972 einen Rückgang der Insekten. Zum Beispiel waren es damals 1000 Kohlweißlinge pro Tag, heute sind es nur noch 20, vom Tagpfauenauge konnten damals 400 pro Tag gesichtet werden, heute nur noch einer. Schwebfliegen werden fast gar keine mehr entdeckt.

Was sind die Ursachen für das dramatische Insektensterben?

Hier gibt es nicht einen Grund, es spielen viele Faktoren hier mit. Eine der wichtigsten Ursachen ist die intensive Landwirtschaftsnutzung. In Deutschland ist es fast die Hälfte der Fläche. Die Felder werden mit eindeutig zu vielen Pestiziden behandelt. Deutschland gehört zu den EU-Staaten, die am meisten Pestizide verbrauchen. Vielerorts sind die Äcker sehr monoton. Es fehlen Feldgehölze, Acker- und Gewässerrandstreifen. Von Überdüngung und Fruchtfolgen ganz zu schweigen. Wie sollen hier Insekten überleben?

Eine weitere Ursache ist der große Flächenverlust durch den Bau von Infrastruktur, Gewerbeflächen und Siedlungen. Jeden Tag werden ca. 70 Hektar versiegelt.

Zu guter Letzt führt der Klimawandel zum Insektensterben. Die Veränderungen von Temperatur und Niederschlag haben sehr große Einflüsse auf die Insektenwelt.

Wenn man sich diese enorme Bedeutung der Insekten vor Augen führt, kommen wir nicht umhin, dass sowohl der Einzelne als auch die Politik hier gefragt ist. Wir möchten uns gar nicht vorstellen, wie eine Welt ohne diese wunderschönen Geschöpfe aussehen mag.

Was kann jeder Einzelne von uns tun?

Mit unserem täglichen Konsumverhalten beeinflussen wir die Landwirtschaft. Wer die Lebensmittel nur noch billig einkauft und sich fleischlastig ernährt, braucht sich nicht zu wundern, dass Landwirte ihre Böden zu Höchstleistungen intensivieren. Es werden großflächig eintönige Kulturen angebaut. Die biologische Vielfalt bleibt hier oftmals auf der Strecke.

Wer einen eigenen Garten besitzt, sollte diesen ohne Pestizide nutzen und den Insekten Nisthilfen anbieten. Die Bepflanzung des Gartens sollte vielfältig sein und nicht ein „Garten des Grauens“ sein.

Städte und Kommunen sollten nur heimische Pflanzen anpflanzen, der Pestizideinsatz sollte völlig untersagt sein und insektenfreundliche Refugien sollten der Regelfall sein.

Was muss die Politik tun?

Die Pestizid-Zulassungsprüfungen müssen viel strenger werden. Neonicotinoide müssen sofort verboten werden, da sie die Rezeptoren der Nervenzellen blockieren. Der Dauerreiz führt zu Krämpfen und schließlich zum Tod der Insekten. Selbst die geringste Dosis führt zu Störungen des Verhaltens sowie des Immunsystems.

Die Reform der EU-Agrarpolitik ist ein absolutes Muss. Die biologische Blütenvielfalt in der Landwirtschaft muss gefördert werden. Außerdem ist eine Stickstoffreduktion notwendig. Dass die biologische Landwirtschaft ausgeweitet werden muss, ist selbstverständlich.

Richtig dunkle Nächte sind in vielen Gebieten viel zu selten geworden. Dies stellt für nachtaktive Insekten ein großes Problem dar. Die Insekten werden geblendet, sehen nichts mehr und flattern orientierungslos zu Lichtquellen, wo sie vor Erschöpfung dann irgendwann sterben.

Es ist auch wichtig, dass die biologische Vielfalt und deren Entwicklung weiter erforscht und überwacht werden.

Martin Klatt wie darauf hin, dass das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ nur ausgesetzt ist. Die Landesregierung Baden-Württemberg hat „Eckpunkte zum Schutz der Insekten in Baden-Württemberg“ vorgelegt. Wie es nun weitergeht mit dem Volksbegehren, ist abzuwarten.

Bericht von Susanne Schröder


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